Der Bericht Teil 1
Der Bericht Teil 2
Der Bericht Teil 3



Heinz Kolster [1]

7.Art.Rgt.255/208
1.Batterie


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Meine Erlebnisse und Eindrücke in Russland

Vorwort
1943-1944
Anmerkungen

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Vorwort

Diese Erlebnisse und sehr persönlichen Eindrücke eines einfachen Soldaten aus dem  Zweiten Weltkrieg  sind aus der Erinnerung im Heimaturlaub und nach der Gefangenschaft von Heinz niedergeschrieben worden. Die Aufzeichnungen sind vom Herausgeber  wortwörtlich in Reinschrift mit allen seinen Fehlern,  Bemerkungen und an den Stellen die nicht lesbar waren kenntlich gemacht oder sinngemäß ergänzt worden. Mein Vater hat seine furchtbaren Erlebnisse in Sütterlin und Lateinischer Schrift verfasst. Der III . Teil war sehr unleserlich und schwer zu lesen. Die Niederschrift von Heinz haben wir seinem Vater, Friedemann Kolster zu verdanken; er hat Heinz dazu bewegt seine Erlebnisse schriftlich zu verarbeiten.

Im Sinne meines Vaters widme ich diese Erlebnisse
allen gefallenen
Soldaten,
sowie allen Jugendlichen als Mahnung gegen den Krieg -
der Menschen zu Handlungen und Taten gezwungen hat,
die keiner wirklich wollte!

Anregungen und Kritik, sowie Fehler (sachlich) werden vom aktiven Leser erwartet!
Bei den Fußnoten mit ?  ist der interessierte Leser mit aufgefordert weiter zu recherchieren oder weiterführende Bemerkungen mir mitzuteilen.

Gerne sende ich dem Interessierten Leser eine PDF-Datei,mit erweiterten Inhalt und zusätzlich Bildern,Karten und Dokumente.

E-Mail Adresse :  retslok-sualk@tonline.de
 
Der Herausgeber
Hassel, 2009
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1943-1944

Die Ausbildungszeit eines Soldaten dauert nicht sehr lange.Wenn diese beendet ist, kommt er an die Front, und dort muss er nun sein Vaterland verteidigen und zeigen, was er nun in seiner Ausbildungs-zeit  gelernt hat.[2]
 
Ich hatte Glück gehabt.
 
Am 10.2.1942/Dienstag[3]kam ich zunächst zur Ausbildung nach Metz und weiter nach Orleans (1.8.42) ,(11.11.42 Toulouse)[4] , und
Auch (1.10.42 bis 31.5.43) in Frankreich.(24.2.43 2 Tage Bordeaux)
 
Besonders in Auch habe ich eine sehr schöne Zeit verlebt.[5]  Aber all das Gute hat ein Ende. So kam auch ich an die Reihe und wurde am
01.06.1943/Dienstag[6] abgestellt zu einem Marschbataillon[7]  nach Mährisch Schönberg im Sudetenland. Dort kamen wir in Privat-quartiere und schon nach drei Tagen bekamen wir Abstellungsurlaub.
 
Dieser Urlaub war doch der schönste, den ich verlebt habe. Bloss in den letzten Tagen und Stunden wurde ich traurig, weil ich nach dem Osten sollte. Ich hatte doch ein klein wenig Angst hauptsächlich vor dem Dreck und dem Ungeziefer. Aber meine grosse so wie die kleine Schwester haben mich diese Sorgen vergessen lassen.[8]
 
Als dann die Abschiedsstunde schlug, bin ich gerne, frisch und froh an die Front gegangen. Denn ich habe ja nichts zu verlieren, nur mein kleines Leben.
 

Im Marschbataillon wurden wir noch gründlicher ausgerüstet. Ich hatte wieder mal Glück, ich durfte mit nach Breslau[9] auf das Heeres-zeugamt fahren und dort Sachen für das Marschbataillon holen. Natürlich hatten wir auch noch ein paar Stunden übrig, um bei den Eltern guten Tag zu sagen.
 
Am 24. Juli 1943/Samstag fuhren wir nach Mährisch Schönberg über Glatz,Neisse nach Rattibor ab. Wir waren alle froh und sangen frische Lieder. Wir fuhren dann über Warschau im Zickzack Kurs nach Kiew. [10]
 
Am 26. Juli 1943/Montag überschritten wir die russische Grenze.
Dann fuhren wir über Mirgorod und Krementschug, Poltawa nach Charkow. Je weiter wir nach Russland kamen, desto weniger wurde gesungen. Jetzt sahen wir schon Spuren des Krieges. Bei einem Partisanenangriff hatten wir Glück gehabt. Durch einen Wagen flog eine Handgranate. Gott sei dank waren beide Türen auf, und es passierte kein Unglück.
Wenn wir durch Wälder fuhren, dann legte der Zug ein sehr schnelles  Tempo ein. Unser Zug hatte immerhin noch Glück . Bei einem Zug vor uns nahm der Russe zwei Schienen aus dem Strang. Bei dem Eisenbahnunglück hatten sie 36 Tote zu beklagen.
Auf der Bahnfahrt hatte ich sehr geschwollene Füsse und Waden bekommen. Als wir dann wieder gelaufen sind, ging die Schwellung zurück.
 
Am 1. Aug. 43/Sonntag wurden wir in Borisowaka ausgeladen. Wir freuten uns alle, ein Div.[11]  Kommandeur empfing uns von der 332 Div. und richtete ernste Worte an uns, die wir uns zu Herzen nehmen sollten. Wir hatten eine kleine Pause, und dann ging der Gepäckmarsch los über  Nowoborisowka, Chotmyszk nach Dorogotsch[12]

Am 2. Aug. 43/Montag griff der Russe an, hier erhielt ich meine Feuertaufe. In diesem Dorf sollten wir aufgeteilt werden, aber wir mussten uns zurückziehen über Poras und Bronawka.  Hier in diesem Dorf übernahmen wir den Dorfschutz über Nacht.
 
Am 2. Aug 43/Montag griff der Russe uns 38 mal an (Flugzeuge).
Am Morgen liefen wir nach Mensenewaka, wo wir ebenfalls den Dorfschutz übernahmen. Dann ging es im Gewaltmarsch über Branzowka, Shigailowka nach Boromlja.
 
Hier lagen wir drei Tage und übernahmen den Dorfschutz. In diesen drei Tagen hatten wir die meisten Verluste.
 
Bis zum 11. Aug. 43/Mittwoch hatten wir 250 km zurückgelegt, in dem letzten Dorf verloren wir das ganze Gepäck des Marschbatl.
Nun hatten  wir es leichter. Einige Ostoberschlesier liefen hier über.
Aus diesem Dorf zogen wir als letzte heraus. Jetzt ging es nach    
Saumskja-Woroschba über Bischkin nach Lebedin, dann über Budyki, Borowenka, Bereowija, Welski, Alenina, Schupakawa nach
Oleschnja und wieder zurück nach Borownka, dann über Bodrow, Bakutin, Scinewka nach Nowokawschtschina (siehe Karte)[13]
Hier lagen wir 10 km hinter der Front bei Lipora.
Unser Marschbatl. hatte inzwischen eine Menge Verluste. Bei diesem Rückzug habe ich die russischen Flugzeuge sehr gut kennen gelernt. Die Russen warfen sogar Tellerminen. Während diesem Rückzug gab es keine Verpflegung. Wir assen das unreife Obst, Gurken und Tomaten und tranken das dreckige Wasser.
Bald hatten wir alle Durchfall.
Es war nicht angenehm, aber was sollten wir anders essen?
 
Auf einer Rollbahn, wo wir in der Nacht auf einem Panzer sassen und in die Stadt fuhren, warfen die russischen Flieger(U.v.D.)[14] einige Bomben und setzte über uns Leuchtschirme ab. Die Bomben fielen alle neben die Strasse , und es passierte nichts.
 
 
 
Die einzelnen feindlichen Flugzeuge, die abends regelmässig kamen,
nannten wir Uffz.v.Dienst oder Nähmaschine, weil sie so geknattert haben.
Hier erlebte ich meine erste Mondfinsternis[15] .  Es war herrlich, ich dachte dabei viel an zu Hause. Die russischen Strassen habe ich genügend kennen gelernt. Wenn es geregnet hatte, war die Strasse nur noch Matsch. Es waren öfter 12 Spuren nebeneinander, wenn die Strasse sich ausdehnen konnte. Hatte man dann keine gut sitzenden Schuhe oder Stiefel an, passierte es leicht, dass ein Stiefel steckenblieb. Die russischen Häuser sind ganz primitiv gebaut.
 
Gerade beim Bürgermeister sah es immer etwa besser aus.
Ausnahmen gab es zwar auch, aber zum grössten Teil war alles furchtbar verwahrlost. Im Sommer  schliefen die Russen neben und im Winter auf dem Ofen. Siehe Skizze.[16]
Die Kleidung sah in manchen Bezirken anständig aus, aber meistens war sie ganz herunter gekommen.
 
Besonders gewundert hat es mich  das die Russen keine Aborte[17]  hatten. Sie setzten sich hinter das Haus, oder neben den Misthaufen und machten dort ihr Geschäft. Wenn ein Ort da war,so war er so klein, dass man Obacht geben musste. Es war nur ein kleines Loch, und ringsherum aus Stroh eine kleine Wand. Ein Holzhäuschen sah ich in ganz Russland nicht. Wenn man das Elend sah, dann freute man sich, das wir es in Deutschland besser haben. Dies kam einem in Russland sehr zum Bewusstsein.
 
Das Marschbatl. wurde bei Lipora aufgelöst, und wir kamen zum Feldersatzbatl. . Hier machten wir noch viel Fuss- und Geländedienst.
8 Tage haben wir solchen Dienst gemacht, dann wurde wir zurArri.[18]  überwiesen  Danach hatten wir uns schon lange gesehnt.
Ich hoffte auf einen Vormarsch,der ewige Rückmarsch war zuerst
doch recht niederdrückend, aber allmählich gewöhnte ich mich daran.
 
 
Am 28. Aug. 43 / Samstag bei Mirgorod kam ich zur 1. Batterie, des Art. Reg. 255. Hier erhielten wir noch eine kleine Ausbildung. In diesem Dorf schlachteten wir, was wir konnten, und assen infolgedessen sehr gut.
 
Die Batterie hatte alles auf dem Rückzug alle Geschütze und Pferde verloren;
Wir marschierten nun über Ronmy (siehe Skizze) und Arri bis Kiew. Ehe wir über den Dnjepr kamen, mussten wir 6 Stunden warten, dann marschierten wir durch die Stadt. Ich war sehr erschüttert, denn es war dort sehr schmutzig. Genau nach 2 Monaten  und 8 Tagen bekam ich die erste Post, das war eine Freude. Wie habe ich mich darüber gefreut.
 
In langen Tagesmärschen marschierten wir nun auf Shitomir zu.
Vor Shitomir mussten wir durch einen kleinen Fluss. Unser Obl..[19]  sagte: Na, da werden wir auf das Pferd steigen, es wird mich schon trocken durch bringen.
 
Wir anderen setzten uns alle auf die Wagen. Als die ersten Wagen durch waren ritt der Obl.. hinterher.
Er lies das Pferd in der Mitte des Flusses saufen. Nun sah das Pferd wie ein in anderes sich im Wasser herumsauste. Es legte sich auch ins Wasser strampelte tüchtig. Der Obl. musste nun durch den Fluss laufen. Er hatte als einziger nasse Füsse bekommen. Das Gelächter war sehr gros. Der Fuchs ging dann zum Obl. und schüttelte sich vor Vergnügen. So wurde der Obl. sehr nass und zeigte sich, als wir im Quartier waren nicht, denn es war ihm doch sehr peinlich gewesen.
 
Jetzt hiess es auf einmal:“ Wir geben alles Gerät ab und fahren nach Kiew, dort über nehmen wir die Geschütze einer anderen Batterie. Am nächsten Morgengaben wie alles ab und mittags  erschienen Omnibusse die uns nach Kiew brachten. In Kiew hielten wir kurz und fuhren dann nach Süden herunter nach Chadosiuka.
 
 
Hier lagen wir zwei Tage, übernahmen 100 Pferde und am nächsten Tag wurden wir eingeteilt an die Geschütze. Ich K1 (Richtkanonier) am ersten Geschütz. Ich war sehr stolz darauf.
 
Nach einem Marsch von acht Stunden waren wir da. Es waren jugoslawische Geschütze, sie waren auch gut, aber die Richtmittel sind nicht so schön wie bei unseren deutschen Geschützen. In dieser Feuerstellung schossen wir noch gar nicht. Nach 2 Tagen machten wir Stellungswechsel 500 m nach links. Hier fingen wir an Bunker zu bauen.[20]
 
Jetzt gab es viel Arbeit. Hier schossen wir auch die ersten Schüsse. In der Nacht schossen wir Störungsfeuer. Nach langen Tagen war der Bunker fertig. In dieser Bunkerstellung hatte ich immer Hunger. Wir lagen in einem grossen Wald am Dnjepr.  Das nächste Dorf war 12 km entfernt. Hier griff der Russe öfter an, aber an unserer Stelle ist er nicht durchgekommen. Rechts und links brach er durch man hörte den Schlachtenlärm. Die russischen Flugzeuge kamen immer wieder mit neuen Wellen. Da wussten wir, das wir in Gefahr waren.
Es ging nun im Gewaltmarsch nach Süden.
 
Es war der 17.11.43/Mittwoch.
Wir fuhren über Germanowaka, als wir aus der Stadt waren, läuteten die Glocken, und die Bevölkerung schoss auf die zurückgehende Inf.[21]
Wir gingen im nächsten Dorf in Feuerstellung und schossen in das Dorf. Es ist später dann abgebrannt. Wir zogen uns schnell wieder zurück, aber bald hatten die russischen Panzer uns eingekesselt.
Nun mussten wir durch eine Panzersperre oder einen zwei Km langen Sumpf.  Hier waren wir 28 Stunden drin, denn wir blieben des öfteren stecken. Vor uns lagen zwei aufgeriebene Batt. Als wir vorsichtig heraus spähten, sahen wir keine Panzer. So hatten wir die Batterie ohne Verluste durchgerettet, während die anderen Batterien ihre Geschütze verloren hatten.
Es waren anstrengende Tage und sehr wenig Verpflegung.
 
 
6.12.43/Montag
Einige Tage darauf kam der Russe, bei einem Durchbruch in unsere Feuerstellung. In dem Handgemenge wollte mir ein Russe mit dem Kolben auf den Kopf hauen. Ich hielt aber meine Hand davor und konnte den Schlag abwehren, zog mir aber eine starke Prellung der linken Hand zu.[22]
Ich kam auf dem H.V.Pl.[23] in Stasi und blieb dort 8 Tage. Als ich zu meiner Batterie wollte, war sie nicht mehr da. Nun suchte ich 8 Tage meine Batt. Ich war in den Dörfern und Städten.
Bilka  Zerkwa, Mirrinowka, Bolrisowka und in Nein .[24]
Nach langen Hin und her kam ich am 22.12.43/Mittwoch zu meiner Batterie zurück. Auf dieser Suche hatte ich in Bilka Zerkwa ein besonders Glück. Ich schlief beim Bahnhof und wollte früh ausschlafen, aber dann entschloss ich mich doch, in das Soldatenheim zu gehen. Ich zog mich an und ging. Als ich kaum 200 m vom Bahnhof war, pfiff und zischte es ganz laut. Ich wusste gleich, dass das von der Bombern her kam. Ich drehte mich um und sah die Bescherung. In das Haus, wo ich schlief, gingen zwei Bomben hinein. Ich sah noch wie das Dach in die Höhe flog. Der Iwan zerstörte den Bahnhof völlig.
Ich sagte mir,Glück muss der Mensch haben.
 
Am 23.12.43/Donnerstag marschierten wir 30 km, wir dachten schon, das wir Weihnachten marschieren werden. Aber in der Nacht zum 24. kamen wir wieder in eine alte Feuerstellung, in der wir schon ein mal 2 Wochen lagen. Wir fanden nun fertige Bunker vor, das war ein
grosse Weihnachtsüberraschung . Wir richteten uns ein und trafen Vorbereitungen zum Heiligen Abend, als wir alles fertig hatten, legten wir uns schlafen denn um 7.00 Uhr sollte die Weihnachtsfeier beginnen, aber schon um 1/2 6 hiss es Feuerkommando. Wir sprangen heraus und schossen. Als nach 1 Stunde  „Feuer Pause“ kam, freuten sich alle auf die Feiertage,  der Obl. mit der Weihnachtsrede anfangen wollte, hiess es :
 „Feuerkommando ganze Batterie“.
 Jetzt schossen wir ohne Unterbrechung, der Weihnachtsbaum wurde heraus geholt und wir feierten Weihnachten, so gut es ging bei unseren feuernden Geschützen. Die Kekse und Kuchen assen wir alle auf. Die nächsten beide Feuertage , waren wir auch viel an den Geschützen.
Der Russe griff in drei Wellen an. Wir konnten alle drei Wellen abschlagen . Der Russe war zwar schon in unserem Graben, aber wir haben ihn mit unserm Feuer wieder herausgeworfen.
Über Weihnachten schossen jedes Geschütz etwa 800 Schuss heraus. Der Russe hatte sehr viel Tote verloren.[25]
 
Am 27.12.43/Montag gelang es mir nach einem langen Kampf zu den Bunkern zu kommen. Ich kam gleich auf die Beobachtungsstelle
( B.Stelle), und hier konnte ich mich selber überzeugen, was der Russe für Verluste hatte. Jetzt sah ich erst wie unsere Geschütze schossen.
 
Mit richtiger Schadenfreude habe ich gesehen, wie der Russe vor unseren Granaten fortgerannt sind. Aber stur waren sie, als ihr Essenfahrzeug da war. Da stellten sich die Russen in einer langen Schlange an. Wir schossen hin. Die 1. schlug 100 m rechts von ihnen ein, die 2. 20 m davor. Die Russen standen noch immer in der Schlange, und machten sich gar nichts daraus. Der 3. Schuss war ein Volltreffer und dann  war Ruhe.
 
Am nächsten Tag  28.12.43/Dienstag mussten wir das Dorf
Mirawka verlassen. Der Russe sass in Germanawka.
Nun zogen wir von einer Stellung zur anderen. Silvester und Neujahr (Freitag/Samstag) habe ich geschlafen, denn die Märsche waren etwas anstrengend. In der Nacht um 12.00 schossen alle Geschütze eine Salve und alle Farben von Leuchtkugeln gingen hoch.
 
Bald machte ich meinen ersten Sturmangriff mit. Ich freute mich sehr. Wenn auch der Angriff mitten im Dorf liegen blieb.
 

Der Russe schoss mit Explosionsgeschossen,für mich war es zuerst nicht angenehm, aber dann gewöhnte ich mich schnell daran.
 
Die Inf. hatte bei dem Häuserkampf sehr grosse Verluste. Wir sollten nun zwei Sperrfeuerräume  einschiessen.
 
Da wir nicht wusste, wo wir genau lagen, gingen wir noch zwei Häuser weiter vor, hinter einem Strohhaufen.
Wir hatten nicht gleich Verbindung, aber nach einer Zeit hatten wir Verständigung. Die Inf. Gruppe zog sich zurück, da der Russe sehr schoss. Unsere 1 Granate kam, wir zogen alle unsere Köpfe ein, den
die Granate schlug hinter dem Strohhaufen ein. Jetzt kroch der Lt.[26] auf den Strohhaufen, und wollte den 2. Schuss beobachten.
Der Lt. legte sich platt hin, und wie er wieder aufstand sah er, das hinter dem Haufen ein russisches MG[27]  stand. Er fragte uns, ob wir eine Handgranate hätten.
Wir sagten nein. Er schoss nun mit seiner Maschinenpistole, aber es kamen immer mehr Russen. Er rief uns zu, wir sollten uns schnell zurückziehen. Der Lt. zündete noch den Strohhaufen an und einige Häuser an, damit wir sehen konnten, ob der Russe angreifen wird.
Wir schossen dann noch zwei Sperrfeuerräume ein.
 
Der Russe wollte uns wieder heraus werfen, aber es gelang ihm nicht. Vor dem Dorf legte der Russe noch Minen, bevor er zurück ging. Wir sahen und sperrten das Gelände mit Gerümpel ab. Aber die nachfolgenden hatten darauf nicht geachtet und liefen auf die Minen herauf. Wir kamen am nächsten morgen vorbei, und da sahen wir die armen Kerle. Den Russen haben wir auch noch schöne Verluste bei diesem Angriff bereitet.
 
Wir mussten dann wieder in eine andere Stellung zurück gehen nach Tirowka , hier sollte eine ruhige Stellung sein. Hier warf der Russe aber bald heraus, weil wir zu schwach vorne im Graben waren. Aber wir bereuten es nicht.
 

Denn eine Stunde später war der Himmel voll von russischen Fliegern. Sie warfen Bomben in das Dorf. Wir waren aber nicht mehr in dem Dorf, sondern der Russe. Die Russen schossen grüne Leuchtkugeln, aber die Flieger warfen immer wieder .
 
Wir freuten uns alle , wie wir das sahen. In dem Haus, in dem wir geschlafen haben, hatte ich 60 Eier und Zucker auf dem Fensterbrett liegen gelassen. Ich bereute es sehr , denn jetzt hatten wir nichts mehr zu essen.
 
Aber zwei Stunden später kamen 7 Sturmgeschütze, da hiess es :
„Wir nehmen das Dorf wieder“. Der Lt. und ich freuten uns besonders, denn wir kamen wieder zu unseren Eiern.
 
Um schneller ins Dorf zu kommen, setzt sich der Lt. auf ein Sturmgeschütz. Ich setzte mich auch auf eins, aber das meine blieb stehen. In unserem Haus wollten wir uns treffen. Tomitzek und ich machten uns selbständig und gingen in das Dorf. Da es nicht knallte, gingen wir ohne Zögern in unser altes Haus. Hier schlugen wir uns erst ein paar Eier mit Zucker.
 
Als der Lt. kam, sagte er : „ Kolster wo steckst du bloss, ich suche dich schon 10 Minuten.“ Er ass mit uns und als wir etwas gesättigt waren, kam erst die Inf. mit den Sturmgeschützen. Wir nahmen noch die hälfte des Dorfes, als es hiess wir müssen warten, bis Hauptmann Röhr vom Reg.[28]  kommt und die neue HKL[29]  angibt, wie sie verlaufen soll.
 
Es gab  lange Minuten.
 
Nun stöberten wir so herum,da sah der Lt. weit hinten 2 Geschütze angespannt stehen. Der Lt. und Oberwachtmeister und wir zwei Funker, krochen im Strassengraben an die Geschütze.
 

Wir sahen das die Wache an einem Haus war und dort gemütlich rauchte. Wir setzten auf die Krad und Stangenpferde und fuhren im Galopp davon, nach dem ich die Bremsen gelöst hatte.
 
Der Russe schoss mit dem Mg und Gewehren hinter uns her. Uns traf aber keine Kugel, so hatten wir 4 Mann, 2 Ratschbumgeschütze[30]  mit Munition und 12 Pferden erbeutet. Wir freuten uns sehr darüber. Aber
jetzt schoss der Russe mit der Stalinorgel, es war nicht angenehm . Wir sahen sie 400 m vor uns, und konnten sie nicht vernichten,denn wir hatten keine Munition.
 
Am Morgen waren wir wieder aus dem Dorf. Der Russe griff weiter an und nahm uns die Höhe 303 weg. Wir schossen nun mit den
erbeuteten Ratschbumgeschützen auf den einzeln Mann. Als ich das erste mal abzog, war ich sehr erschrocken, denn es gab einen grossen Rückschlag. Aber dann war ich daran gewöhnt und stellte mich richtig hin.
 
Als wir dann keine Munition mehr hatten, brachten sie die Geschütze weiter nach hinten.
Am Abend nahmen wir wieder die  Höhe 303, unsere Artillerie schoss sehr gut. In jedem Loch lagen ein bis drei tote Russen.
 
Wir stürmten dann noch mal das Dorf, kamen aber nur bis zu den ersten Häusern. Dann warf er uns wieder heraus, jetzt wollte er die Höhe wieder haben. Aber die Höhe konnten wir trotz grosser Verluste halten. Das Schlachtfeld sah wüst aus. Der 20 cm hohe Schnee war durch den wechsel und explosionen weggetaut. Es roch sehr nach Pulver, und Tote über Tote lagen hier,  Deutsche und Russen durcheinander. Wir hatten auch eine Menge Gefangene gemacht.
 
Wir sahen nun wie russische Panzer in das Dorf fuhren. Wir meldeten es, am Mittag aber wurden wir nach den anstrengenden Tagen abgelöst.
 
 
 
Als Anerkennung  bekamen Tomitzek und ich dann am
12.2.44/Samstag das  EK II [31],
weil wir uns in Tirowka bewährt hatten.[32] [33]
 

Am 12.1.44/Mittwoch war ich auf dem Wege zu meiner Batterie, als wieder russische Flugzeuge angriffen. Ich beobachtete sie genau, und
da sah ich wie ein paar Flugzeuge abdrehten und auf mich zukamen.
Ich wusste gleich was sie vor hatten. Jetzt rannte ich, um nur gute Deckung zu bekommen. Aber ich war noch nicht in der Deckung, als
die Bomben angeheult kamen. Ich sah, wie eine auf mich zu kam.
 
Ich rannte nun um mein Leben. Nicht weit von mir sah ich einen schützenden Graben. Die letzten Meter waren so schrecklich lang und
wie ich mit einem ganz grossen Satz hineinspringen wollte stolperte
ich und flog genau an den Grabenrand.
In dem Moment gab es eine lauten Knall  und dann wusste ich nichts mehr. Ich kam erst zur Besinnung, als ich bei einem Bauern auf der Holzbank lag. Mein Kopf brummte wie eine grosse Pauke, als wenn man immer drauf schlüge. Zwei Kameraden von der Inf. wussten das ich von der Arri. war . Mein Soldbuch war leider in der Schreibstube.
 
Ich wusste nicht mehr wie ich hiess und zu welcher Batterie ich gehörte. Mein Gedächtnis  hatte ich durch die Erschütterung verloren.
Bis sie mich nach einigen Tagen bei meiner Batterie ablieferten. Die Freude war bei meinem Kameraden gross, als sie mich wieder sahen.
 
Erst ganz allmählich bekam ich in den nächsten 8 Tagen mein Gedächtnis wieder. Viel habe ich hier dem Obergefreiten Werner Wanke zu verdanken, der mir sehr half und auch mit mir zusammen Briefe nach Hause schrieb. Es war eine schwere Zeit für mich. Nach einigen Tagen wurde unsere Div.[34]  in der Nacht abgelöst, es kam eine frische Div. dafür herein.
 
Zwei Stunden nach der Ablösung griff der Russe mit 125 Panzern an .
85 Panzer wurden von der Div. abgeschossen.
Sie hatten Gott sei dank Pakgeschütze.
 
Wenn unsere Div. dagelegen hätte, wäre der Russe durchgekommen. Denn wir hatten keine Pakgeschütze und die Komp.[35]   war nur noch 15 bis 19 Mann stark.
Jetzt ging es in Tagesmärschen nach Nikolajew und nach Odessa.
Hier waren wir nur 2x in der Feuerstellung.
 
Bemerkenswert ist , das es dort deutsche Dörfer gab, wie Berlin, Bremen und Hamburg .Sehr viele Deutsche wohnten dort, die aber schon sehr den Russen ähneln.
 
Nach einigen Tagen fuhren wir mit der Bahn über Cherson dicht bei Dnjepropetrowsk vorbei in die Gegend südlich von Tscherrkassy.
 
Hier kamen wir in eine sehr ruhige Stellung, zuerst war es noch etwas lebhafter, aber dann beruhigten sich beide Seiten.
Bloss die Scharfschützen bereiteten uns grosse Verluste. Viele Kameraden fielen durch Kopfschuss. Ich holte am Tag des öfteren Wasser. Der Russe schoss mir dann immer durch die vollen Eimer, wohl um sich einen Spass zu machen. Wir hatten infolge dessen keinen heilen Eimer mehr. Ich trug die zwei Eimer auf einer Stange über die Schulter. Mich selbst trafen sie aber nicht.
 
Am Tag mussten wir in dem Graben sein, und wenn wir uns eines grossen Geschäftes entledigen wollten, hielten wir die Hand heraus und winkten. Das hiess : „ Nicht schiessen“. So konnte man jedenfalls in Ruhe sein Geschäft machen, und die Scharfschützen schossen nicht. Der Russe fing damit an. Wir schossen auch nicht. Bis einmal eine neue Gruppe kam und trotz des Winkens nach dem Russen schoss. Wir hatten seitdem keine ruhige Minute mehr. Nachdem es wieder ordentlich geschneit hatte, griff der Russe uns raffiniert an.
 
Er schob Schnee vor sich her, da es freies Feld war, gab es nur den
Schnee als Deckung. Wir erkannten es rechtzeitig und den Angriff konnten wir abschlagen.
Hier vorne war die Verpflegung sehr gut, denn wir kochten[36] uns selber.
So assen wir 4 Mann, Kartoffelpuffer von einem 3/4 Eimer geriebene Kartoffeln. Es schmeckte herrlich. Wenn noch mehr da gewesen wäre, hätten wir noch mehr gegessen. Hier backten wir uns öfters Kuchen.
 
So gutes Essen hatte ich in Russland noch nie gehabt.
Ich bekam ganz dicke Backen und erholte mich sehr.
 
Die Kameraden in der Feuerstellung, hatten nicht so gutes Essen.
 
Der Obl. freute sich, das ich so frisch aussah. Dann machte ich einen Funklehrgang mit. Bisher war es immer so gewesen : wenn ein Funklehrgang beginnt, dann beginnt auch eine Schweinerei.
 
So auch bei meinem Lehrgang der am 4.3.44/ Freitag anfing und
8  Tage dauern sollte. Aber schon nach 3 Tagen, wurden wir zur Batt. geschickt, denn der Russe war durchgebrochen, und wir müssen uns bald zurück ziehen .
Nun müssen wir auch noch das letzte Stück Erde der Ukraine verlassen. Denn jetzt gab es wieder einen Rückmarsch.
 
Am 10.3.44/Freitag gingen wir vor einem Bahndamm in eine Schlacht auf die vorgeschobene B.Stelle. Wir hatten uns gerade eingeschossen, als der Russe weiter rechts von uns unsere HKL bis zum Bahndamm zurück drückte. Nun bestand grosse Gefahr, das er uns einkesselt.
Wir mussten daher zurück und am Bahndamm in Stellung zu gehen.
 
Der Russe kam gleich nach, wir konnten nicht schiessen da wir keine Munition hatten. Auch als der Russe abends angriff, konnten wir nicht schiessen. Das war für uns Artilleristen sehr hart.
 
So griffen wir dann voller Wut zum Karabiner und konnten den Angriff mit zum stehen zu bringen.Wir freuten uns alle. Rechts und links war er schon durchgebrochen.Jetzt mussten wir uns im Eilmarsch zurück ziehen. Als wir uns sicher fühlten, gingen wir im nächsten Dorf in die Häuser, um etwas zu schlafen. Aber kaum waren wir dort da schoss der Russe mit Granatfeuer hinein.
 
Wir packten unsere Sachen und es ging weiter. So ging es in 3 Dörfern. Wir dachten nun an keinem Schlaf mehr.
 
Wir kamen über einen Fluss, und waren in Sicherheit.

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Anmerkungen

 [1] Niederschrift in der Heimat- Breslau  Teil 1 (1944)
  Heinz war zu diesem Zeitpunkt 20 Jahre alt  (geboren am 14.4.1924.)
[2] die Orginale Orthografie von Heinz wird hier respektiert - Lesefehler meine eingeschlossen!
[3] Wochentage sind vom Hrsg. eingefügt
[4] alle Klammerdaten Einfügungen vom Hrsg.
[5] siehe auch Brief aus France  (ohne Datum aber während des Krieges)
[6] diese lange Zeit hat mein Vater seinem Vater Friedemann Kolster zu verdanken.
  Mein Großvater war zu dieser Zeit Landforstmeister in Breslau/Schlesien,Lodz + Krakau
[7] welches ?
[8] Die Geschwister von Heinz :Klaus (Gefallen in Galizien Aug.44 ,EK I , Olt.) Edzart,Thedie und Doris
[9] seine Heimatstadt
[10] siehe Karte Anmarsch
[11] Divisionkommandeur welcher ?
[12]  siehe Karte  Rückmarsch
[13] genaue Ortsnamen?
[14] siehe unten
[15] 15.8.1943, Partielle Mondfinsternis von 20.59h bis 0.58h
http://eclipse.gsfc.nasa.gov/JLEX/JLEX-EU.html  Eclipse Rechner der NASA
[16] siehe Russisches Haus
[17] WC/Restroom
[18] Artillerie
[19] Oberleutnant
[20] siehe  Bild Bunker
[21] Infanterie
[22] 1. Verletzung
[23] Hauptverbandsplatz ?
[24] Ortsnamen?
[25]  zu beklagen
[26] Leutnant
[27] Maschinengewehr
[28] Regiment
[29] Hauptkampflinie
[30] ?
[31] Ek und Urkunde sind verlorengegengen
[32] siehe Orden  Eisernes Kreuz
[33] Quelle : http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/
[34] Division
[35] Kompanie
[36]  ist so geschreiben!